Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Jawoll mein Schatz, es ist vorbei!

(日本語)

Moin Moin nach Deutschland! Man merkt es vielleicht, und wenn nicht, dann sei es hier noch mal gesagt: ich bin glücklich und fühle mich befreit. Nach langer Suche (okay, es waren nur 1 1/2 - 2 Monate, aber immerhin) habe ich endlich einen Arbeitsplatz in Japan gefunden. Donnerstag fange ich an. :-)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mal eben kurz meinen Ärger über dieses dümmliche, völlig parasitäre und nutzlose Job-Agentur-System hier in Japan Luft zu machen: auf diese Leute kann man sich nicht verlassen und sie sind ihr Geld nicht wirklich wert - zumindest nicht in meiner Situation; vielleicht in 5 oder 10 Jahren, wenn mein Japanisch perfekt gut genug ist, aber im Moment sind diese Fuzzis in Anzügen echt nur reine Zeitverschwendung.

Nur mal so zum Vergleich: ich hatte mit insgesamt 5 verschiedenen Job-Agenturen und deren Taugenichtsen zu tun und von den 5 Agenturen hat mir 1 (eine!) Agentur zu 3 (drei!) Vorstellungsgesprächen innerhalb dieser ersten zwei Monate verholfen. Von den drei Gesprächen ist eins (das bei Gree, was meiner Meinung nach ein richtig cooles Gespräch war) auf eine Ablehnung hinausgelaufen (nach 3 Wochen kam dann mal eine Antwort, … ja, danke…) und das zweite wurde auf “on hold” gesetzt, was im Endeffekt einer Ablehnung gleich kommt, auch wenn die behaupteten, dass das für alle Bewerbungen bei der Firma der Fall war. Das dritte lief dann nach über 4 Wochen Wartens auf eine Antwort ebenfalls auf eine Ablehnung hinaus.

So, das war die eine Seite. Auf der anderen Seite habe ich dann Ende Oktober auch begonnen, mich direkt bei Firmen zu bewerben. Über sogenannte Online-Job-Börsen und -Portale findet man schon die eine oder andere Stellenbeschreibung. Dadurch habe ich innerhalb einer Woche drei Bewerbungsgespräche gehabt -> ich alleine bin also effektiver als eine spezialisierte Agentur, die man für diese Tätigkeit auch noch bezahlen muss (was Gottseidank nur bei Erfolg der Fall ist).

Das war aber noch nicht alles. Ich würde euch gerne den hier üblichen Bewerbungsablauf kurz mal zeigen. Bevor ich das aber mache, hier mein bisheriger Bewerbungsablauf, wie ich ihn aus Deutschland kenne und mehrfach erfahren habe:

  1. Bewerbung auf Stellenangebot und/oder Initiativ-/Blindbewerbung via Email (teilweise auch altmodisch per Post; ja, ist schon was länger her)
  2. Einladung zum Bewerbungsgespräch; alternativ: direkt Telefongespräch mit Firmenchef
  3. Bewerbungsgespräch und direkt anschließend Vertragsangebot (oder Ablehnung; kam auch vor, aber nur sehr selten)
  4. Es gibt keinen 4. Schritt, da ich das Angebot immer direkt angenommen habe.

Es gab, glaube ich, nur ein einziges Mal eine Ausnahme, wo es nach dem ersten persönlichen Gespräch noch eines zweiten bedurft hatte, bevor mir ein Angebot gemacht wurde und die Stelle habe ich dann auch prompt nicht angenommen.

So, und jetzt kurz wie es sich für mich hier in Japan darstellt:

  1. Bewerbung auf Stellenangebot via Email oder per Job-Agentur
  2. Einladung zum initialen Bewerbungsgespräch
  3. Bewerbungsgespräch (1. Ebene): meist mit Personalabteilungsleuten (HR people) und oft verbunden mit einem Bewerbungstest (entweder IQ Test + Persönlichkeitstest oder technischer Test/Programmiertest auf Papier)
  4. Evaluierung des Gesprächs und des/der Tests -> Einladung zum 2. Gespräch oder Ablehnung
  5. Bewerbungsgespräch (2. Ebene): meist mit Team-Führer oder Manager; kann alternativ auch eine mündliche Abiprüfung im Fach Informatik sein (auch bekannt als "noch mehr Tests und lustige Rätselfragen lösen")
  6. Evaluierung des Gesprächs und des/der Tests -> Einladung zum 3. Gespräch oder Ablehnung
  7. Bewerbungsgespräch (3. Ebene): Gespräch mit Personal aus der mittleren bis oberen Management-Eben (+ mögliche weitere Tests der technischen Fertigkeiten und Wissens)
  8. Evaluierung des Gesprächs und des/der Tests -> Einladung zum 4. Gespräch oder Ablehnung
  9. Bewerbungsgespräch (4. Ebene): Gespräch mit Personal aus oberster Management-Ebene / Chef der Firma
  10. Meistens: Unterbreitung eines Arbeitsangebots / Arbeitsvertrags

Je nachdem wie groß eine Firma ist durchleidet man entweder das komplette Prozedere oder man ist etwas früher “fertig”. Von all den Vorstellungsgesprächen, die ich hier so hatte, war bisher alles dabei. In einer Firma bin ich im Moment bis Punkt 7 “Bewerbungsgespräch (3. Ebene)” durchgedrungen, inklusive all den Tests. Da wurden mir dann schon mal so Testfragen gestellt wie sie normalerweise bei richtig großen Firmen wie Microsoft oder Google gestellt werden. Nebenbei: selbst als ich bei Vodafone in Düsseldorf kurz gearbeitet habe, musste ich nicht so viele Böcke überspringen, sondern hatte die Stelle nach dem ersten Gespräch.

Generell habe ich nichts gegen Tests und Fragen, die mein technisches Wissen abklopfen, also testen wie gut ich wirklich in meinem Job bin oder sein könnte. Die Tests und Fragen in der Firma waren genau solche, daher hatte ich Spaß daran. Bei einer anderen Firma musste ich hingegen einen IQ Test und einen Persönlichkeitstest machen und diese zwei Testarten sind meiner Meinung nach kompletter Blödsinn wenn es darum geht zu prüfen ob ein Bewerber die richtigen Qualifikationen hat um eine Aufgabe zu bewerkstelligen.

Dann wieder ein positives Beispiel einer anderen Firma, dessen Test mehr eine Hausaufgabe war. Sie haben mich gebeten eine Serveranwendung in Java zu schreiben und dazu gaben sie mir einen groben Anforderungskatalog mit sowie gaben mir 7 Tage Zeit. Sehr, sehr geiler Test. Der hat richtig Spaß gemacht, zumal ich mir hier meine Zeit selbst einteilen konnte. Aber wie gesagt, diese allgemeinen Persönlichkeitstests oder IQ Tests sagen doch nichts über meine Fertigkeiten oder mein Wissen in Sachen Softwareentwicklung aus. Gebt mir lieber so eine geile Aufgabe, dann mache ich den Test nicht nur gerne, sondern weiß auch gleich, dass das eine korrekte Firma ist mit der ich es zu tun habe. Die Firma weiß dann übrigens auch direkt und nachprüfbar ob das alles so stimmt, was in meinem Lebenslauf an Erfahrungen und Fähigkeiten aufgeführt ist.

So, jetzt fragt ihr euch bestimmt wie der Ablauf meiner Bewerbung aussah, die mir dann zu meinem zukünftigen Job verholfen hat. Ganz einfach: sie entsprach exakt dem Ablauf wie ich ihn aus Deutschland gewohnt bin. Warum hat das überhaupt funktioniert, wo ich doch gerade geschrieben habe, dass das System hier normalerweise anders ist? Naja, zunächst mal bedeutet normalerweise ja nicht immer und zum anderen ist der Chef dieser Firma Australier mit einem wuschigen Vollbart und “rund um gemütlicher Natur” (also von etwas stämmigerer Statur) und wir konnten uns auf Anhieb ganz gut leiden, glaube ich. Des weiteren handelt es sich um ein mittelständisches Übersetzungbüro mit ca. 80 Mitarbeiten (die allermeisten davon Übersetzer), die nebenbei auch Internetconsulting und Softwareübersetzungen anbieten und die haben gerade händeringend einen neuen Softwareentwickler für ihre Internetpräsenzen gesucht, da ihr jetziger (und einziger) Softwareentwickler Ende diesen Monats wieder nach China zurück geht. Oder anders ausgedrückt: ich hatte halt ein bisschen Glück zur richtigen Zeit die richtigen Leute zu fragen :-)

Meine anderen Bewerbungen werde ich dann in den nächsten Tagen mal abblasen. Allerdings würde ich vorher gerne noch sehen, wie weit ich so kommen würde und was die mir anbieten würden. Das wäre mal interessant zu wissen.

Zu meiner zukünftigen Arbeit kann ich sagen, dass ich der Aufgabe wohl gewachsen bin, wenn nicht gar überqualifiziert. Es handelt sich um reine Webentwicklung in PHP und Python mit MySQL Datenbank und Linux (Ubuntu) als Betriebssystem und entspricht somit dem, was ich so seit gut 10 Jahren als Hobby nebenbei mache. Interessant wird mit Sicherheit die Zusammenarbeit mit den ganzen Japanischen Angestellten werden, aber da mache ich mir jetzt auch nicht ins Hemd wegen meiner Japanischkenntnisse, zumal das ja ein Übersetzungsbüro ist und alle Englisch können müssen (hat mir auch der Chef versichert). Das Einzige, was mir ein bisschen Sorgen macht und womit ich nicht so ganz zufrieden bin ist, dass ich der einziger ITler dort sein werde, also der einzige der sich mit Softwareentwicklung und Serveradministration auskennt. Ich hoffe ja nicht, dass das so wird wie damals bei Vodafone, wo ich auch der einzige Softwareentwickler in einem größeren Team war und es scheiße langweilig war. Okay, auf der anderen Seite habe ich dadurch auch völlige Kontrolle über das System und könnte auch alle Seiten der Firma nach Java und Tomcat, Glassfish oder JBoss portieren. Mal sehen :-) (Oh, und die Tatsache, dass es nur 11 Tage bezahlten Urlaub gibt, ist natürlich auch nicht sehr schön, aber Standard hier in Japan. Oh well….)

Das Wichtigste ist erstmal, dass der Bewerbungsmarathon zu Ende ist und ich einen (hoffentlich) ziemlich guten Arbeitsplatz gefunden habe - wenn auch erst mal nur befristest auf 6 Monate, danach soll eine Festanstellung möglich sein. Zwar ist der Anfahrtsweg recht zeitintensiv (ein Weg von Tür zu Tür mit Bus und Bahn: ca. 90 Minuten), aber dafür sind die Arbeitszeiten human (9 - 18 Uhr) und es soll, so Chef, kaum Überstunden geben (Überstunden sind eigentlich Gang und Gebe für Firmen in Japan). 6 Uhr aufstehen, 20 Uhr zu Hause -> es könnte weitaus schlimmer sein (reales Beispiel einer Firma, wo ich mich beworben habe: 11 - 20 Uhr -> 22 Uhr zu Hause + häufig Überstunden -> Mitternacht zu Hause).

Ich werde jetzt erst mal meinen letzten freien Tag genießen, bevor es Donnerstag los geht. Morgen ist dann 勤労感謝の日 (“Tag des Dankes für die Arbeit” - wie passend der Titel ist :-)), ein weiterer Feiertag und den werden meine Frau und ich mit Bummeln verbringen.